CO2-Budget Stuttgarts – eine Überschlagsrechnung

Warum die jetzige Stuttgarter Klimapolitik nach Stand der Wissenschaft nicht ausreicht

In diesem Beitrag möchten wir darstellen, dass die momentanen Anstrengungen der Stuttgarter Verwaltung in Sachen Klimaschutz nicht ausreichen — weder in der Theorie noch in der Praxis.
Die Rechnungen sind stark vereinfacht, und sollen als Beispiel zeigen, dass wir wirklich keine Zeit mehr zu verlieren haben, um die Klimakatastrophe abzumildern.

Dieser Artikel hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit: einige Sachverhalte werden zum Zweck der Verständlichkeit verkürzt dargestellt. Wir haben ihn nach bestem Wissen zusammengestellt. Über Nachfragen, Korrekturen und Erweiterungen freuen wir uns.

Die momentanen Emissionen in Stuttgart

Die aktuellen Emissionen Stuttgarts zu berechnen ist gar nicht so leicht!

Als eine solide Näherung halten wir uns hier an den Durchschnittswert des deutschen pro-Kopf-Ausstoßes von 11,61 Tonnen aus dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes (UBA).

Allerdings muss man berücksichtigen, dass das UBA alle Arten von Treibhausgasen zählt, und die späteren Rechnungen (basierend auf Zahlen des IPCC) sich „nur“ auf CO2 beziehen. Das CO2 macht im deutschen Durchschnitt ca. 88% der Klimaschädlichkeit aus, die reine CO2-Emission pro Person wäre also bei ca. 10,22 t pro Jahr.

Für die weiteren Rechnungen nehmen wir also an, dass jede*r Stuttgarter*in momentan im Jahr den Ausstoß von 10,22 t CO2 verursacht. Im Zeitraum von 2016 bis 2020 hatte Stuttgart durchschnittlich ca. 630000 Einwohner*innen, und wenn wir davon ausgehen, dass das ungefähr so bleibt, kommen wir auf einen jährlichen Ausstoß von 6438600t oder rund 6,4 Mt.

Das Stuttgarter CO2-Budget

Wenn (Klima-)Wissenschaftler*innen vom CO2-Budget reden, meinen sie meistens: Wie viel CO2 „dürfen“ wir noch ausstoßen? Hier gehen wir davon aus, dass wir das Abkommen von Paris einhalten wollen. (Dieses wurde 2015 von den meisten Staaten auf der Welt beschlossen, unter anderem Deutschland.) Das bedeutet, dass die globale Durchschnittstemperatur deutlich weniger als 2 Grad ansteigen soll — bisher hat sie sich schon um fast 1 Grad erhöht!

Von der Aufteilungsidee her halten wir uns an diesen Artikel von Stefan Rahmstorf.

Für Stuttgart kann man das CO2-Budget folgendermaßen überschlagen:
Wenn wir wollen, dass das 1,5-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% eingehalten wird, sagt uns der IPCC-Bericht dazu, dass ab 2018 weltweit noch 580Gt („Gigatonnen“, also 580 Milliarden oder 580000000000 Tonnen) ausgestoßen werden können.

Beschlossen wurde das Pariser Abkommen ja schon 2015, also ist Anfang 2016 der Zeitpunkt, ab dem wir die Emissionen fair verteilen wollen. Weil weltweit jedes Jahr ca. 40Gt ausgestoßen werden, war das Budget Anfang 2016 noch bei 660 Gt ( = 580Gt + 2 × 40Gt).

Und jetzt wird aufgeteilt! Gehen wir davon aus, dass es zwischen 2016 und 2020 immer ca. 7,7 Milliarden Menschen gibt, hat jede*r Erdbewohner*in das Recht, noch 86 t CO2 auszustoßen. Aber das gilt ab 2016!

Wenn wir von unseren durchschnittlichen ca. 630000 Einwohner*innen ausgehen, hatte Stuttgart ab 2016 ein Budget von ca. 54 Mt („Megatonnen“, also 54 Millionen oder 54180000 Tonnen) ab 2016.

Aber! Seit 2016 wurde davon ja schon Einiges verbraucht. Laut unserem Überschlag im letzten Abschnitt sind bis Ende 2020 nochmal 32,2 Mt (= 5 × 6,4Mt) in Stuttgart ausgestoßen worden. Wir haben also nur noch ca. 22,0 Mt übrig — wenn wir so weitermachen, ist es im Jahr 2024 aufgebraucht.

Würde Stuttgart stattdessen noch 51 Mt ausstoßen (und alle anderen entsprechend viel), wäre die Wahrscheinlichkeit, das 1,5°-Ziel einzuhalten nur noch 33%. Was die verschiedenen Erwärmungen für Stuttgart bedeuten würden, wollen wir bald in einem weiteren Beitrag zusammenfassen.

Also: wollen wir eine gute Chance haben, dass die Durchschnittstemperatur nicht mehr als 1,5 Grad ansteigt, dürfen wir in Stuttgart noch 22 Megatonnen CO2 ausstoßen.

Klimaneutralität

Wir haben nun eine Schätzung dafür, wie viel CO2 noch ausgestoßen werden darf, und eine, wie viel im Moment ausgestoßen wird. Wir können uns also ausrechnen, wie schnell der Ausstoß zurückgefahren werden muss.

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: ganz einfach könnte man annehmen, dass die Emissionen beständig (linear) weniger werden, sodass es einen ganz bestimmten Punkt gibt, ab dem sie in Summe 0t betragen. Das wäre der Zeitpunkt, ab dem die „Klimaneutralität“ erreicht ist.

Realistischere Szenarien gehen von einer schnellen Absenkung am Anfang aus, da bei jeder Verbesserung diejenigen CO2-Quellen übrig bleiben, die schwer loszuwerden sind: es wird also immer schwerer, weiter zu reduzieren, und deswegen muss sich gerade am Anfang viel tun, damit das Budget nicht überschritten wird.

Doch weil es einfach zu rechnen und vorzustellen ist, zeigen wir hier mal einen einfachen (linearen) Verlauf, den die Stuttgarter Emissionen nehmen könnten:

Quelle der Grafik: Umweltbundesamt (UBA), Zahlen wurden von Deutschland auf Stuttgart umgerechnet, Jahre 2016-2020 aus pro-Kopf-Verbrauch des UBA geschätzt.
Zukünftiger Verlauf bei linearer Abnahme des Ausstoßes.

Die Klimaneutralität müsste dann bis November 2027 erreicht sein.

Das aktuelle Ziel der Klimaneutralität: 2050

Nun kommt aber das Problem: Stuttgart hat sich vorgenommen, erst bis 2050 „klimaneutral“ zu sein (was hier eine Reduktion auf 5% des aktuellen Ausstoßes bedeutet). Konkret werden im „Klimapaket“ Ziele für 2030, 2040 und 2050 genannt: es soll auf jeweils 65%, 80%, und 95% des Ausstoßes von 1990 gezielt werden.

Basierend auf unseren Annahmen würden wir 61,875 Mt, also fast 3 mal so viel ausstoßen, als wir möchten. Zudem ist es höchst unwahrscheinlich, dass mit den bisher beschlossenen Maßnahmen überhaupt die gewünschten Reduktions-Ziele erreicht werden können.

Deswegen ist es für uns Stuttgarter*innen nicht nur an der Zeit, unsere Ziele anzupassen, sondern wir müssen auch dringend mit einer starken Reduzierung des CO2-Ausstoßes beginnen.

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